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Jay Woodcroft – gekommen, um zu bleiben?

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Bjoern
By Bjoern
2 years ago
Letzte Woche haben sich die Edmonton Oilers – und auch wir mit diesem Artikel – von Dave Tippett verabschiedet. Obwohl nur 17 Trainer in der NHL mehr Spiele gewonnen haben, hat er die Mannschaft zuletzt nicht mehr erreicht. Als sein Nachfolger wurde Jay Woodcroft von den Bakersfield Condors hochgezogen. Doch wer ist dieser Jay Woodcroft eigentlich?

Die Woodcrofts

Jay wurde am 26. August 1976 in Toronto geboren. Seine beiden älteren Brüder Craig (*1969) und Todd (*1972) sind ebenfalls im professionellen Eishockey tätig.
Bruder Craig hat fünf Saisons in Deutschland gespielt. 1995/96 für Deggendorf und Weiden in der 2. Liga und von 1998-2002 in der DEL für Köln, Kassel, Frankfurt und Essen. Von 2014-2016 war er als Assistant Coach und Headcoach für Mannheim tätig. Aktuell ist er Headcoach von Dynamo Minsk in der KHL und gleichzeitig belarusischer Nationaltrainer. Optisch hat er verblüffende Ähnlichkeit mit Peter Chiarelli 😉
Bruder Todd darf sich Weltmeister (Team Canada) und Stanley Cup Sieger (LA Kings) nennen. Das hat weltweit nur ein sehr kleiner und elitärer Personenkreis auf der Vita stehen. Er war von 2000-2020 in der NHL für die Minnesota Wild (Video Coach), die LA Kings (Scout), die Calgary Flames (Director of Scouting) und die Winnipeg Jets (Assistant Coach) tätig. Aktuell ist er Headcoach unseres Draftpicks Luca Münzenberger bei der University of Vermont in der NCAA.
Alle drei Woodcrofts haben bei der WM 2015 als Coach für verschiedene Teams teilgenommen. Für Weißrussland, Schweiz und Canada.
 

Der Spieler Jay Woodcroft

Doch nun zu unserem neuen Headcoach Jay. Als Spieler war er in diversen unterklassigen Ligen unterwegs, ehe er seine Karriere in Deutschland in der Oberliga bei den Stuttgart Wizzards beendete. Dort erreichte er 2004/05 stolze 56 Punkte in 46 Spielen.

Der Trainer Jay Woodcroft

2005 wurde er mit nur 28 Jahren von Mike Babcock als Video Assistant zu den Detroit Red Wings geholt und traf dort erstmals auf Ken Holland. In der Folgesaison gewann Detroit mit ihm im Coaching Staff den Stanley Cup. 2008 wechselte er als Assistant Coach zu den LA Kings, ehe er 2015 mit seinem damaligen Chef Todd McLellan zu unseren Edmonton Oilers wechselte. Insgesamt kann er bereits 13 Jahre als Assistant Coach in der NHL vorweisen. Als McLellan bei den Oilers entlassen wurde, durfte Jay Woodcroft bleiben und erhielt 2018 seinen ersten Posten als Headcoach. Insgesamt 3 1/2 Jahre führte er das Coaching Team der Bakersfield Condors an. Dort gewann er 2x die Pacific Division.
Genau wie sein Bruder, gehört Jay bereits dem elitären Kreis derer an, die sowohl Weltmeister, als auch Stanley Cup Sieger sind, denn 2015 gewann er als Assistant Coach mit Team Canada die WM.
Er hat als Assistant Coach für Legenden wie Scotty Bowman und Mike Babcock gearbeitet, was ihm in seiner Entwicklung sicher genauso wenig geschadet hat, wie die lange Zeit mit Todd McLellan.

Der Mensch Jay Woodcroft

Woodcroft hat vier Jahre an der University of Alabama-Hunstsville studiert und einen Abschluss als Finanzwirt erlangt. Er wurde als “Scholastic Player of the Year” ausgezeichnet – für die beste Kombination aus Erfolgen in Sport und schulischen Leistungen. Er wird von jedem, den man fragt, als freundlich und kommunikativ, eishockey-verrückt und detailbesessen beschrieben. Als bodenständig und wahnsinnig ehrgeizig. Seine Spieler gehen für ihn durchs Feuer.

Headcoach der Edmonton Oilers

Jetzt wurde Jay Woodcroft also, mitten in der Saison, plötzlich zum 17. Headcoach der Edmonton Oilers ernannt.  Gestern noch bestand seine Aufgabe darin, Talente zur NHL-Reife zu formen. Heute muss er auf einmal gewinnen. Und ein ziemlich verunsichertes Team anführen, dass bisher, mal wieder, hinter den Erwartungen geblieben ist. An diesem Kader sind zahlreiche, zum Teil hoch dekorierte Trainer gescheitert. Nun ist er nach 22 Jahren als Coach endlich als Headcoach in der NHL angekommen und ist der neue Hoffnungsträger der Edmonton Oilers!

Seine ersten Maßnahmen

Woodcroft hatte gerade mal ein einziges Spieler-Meeting und ein einziges Morning Skate zur Verfügung, bevor er gegen die Islanders sein Debüt gab. Er konnte gerade einmal die Eckpfeiler seiner Spielidee kommunizieren und ein paar Basics definieren, auf die sich alle Spieler zu halten haben.  Ein großer Vorteil ist natürlich, Woodcroft fast alle Spieler der Oilers schon mal gecoacht hat. Er kennt also bis auf wenige Ausnahmen, die Stärken und Schwächen und weiß, wie er welchen Spieler anpacken muss.
Das Lineup hat er auf 11 Stürmer und 7 Verteidiger umgestellt. Dadurch muss keiner der vier Verteidiger-Rookies (Bouchard, Broberg, Lagesson und Niemelainen) ein ganzes Spiel lang in Situationen spielen, denen sie noch nicht gewachsen sind, kommen aber gleichzeitig auf wertvolle Minuten. Im Angriff durften die jungen McLeod und Benson ihre Shifts abwechselnd mit den 3 TOP-Centern fahren und erhielten so ebenfalls “Qualitiy Minutes”. Diese Strategie hat Woodcroft in all seinen bisherigen Spielen beibehalten.
Taktisch hat er das Forechecking und Absicherung verändert, was sofort auch für Laien sichtbare Fortschritte gebracht hat. Die blaue Linie wird besser gehalten, weil der 3. Stürmer die Mitte abdeckt. Insgesamt kann so früher und enger gedeckt werden. Im bisher einzigen Training (neben 2x Morning Skate) wurde zudem Fokus aufs Penalty Kill gelegt.
Viel Zeit für die Offense war bisher noch nicht. Aber man erkennt sofort, dass weniger Dump & Chase, also Puck ins Angriffsdrittel und dann Nachgehen und Arbeiten gespielt wird. Das ist auch nicht McDavids und Leons Spiel. Es wird versucht, mehr zu “spielen” und kontrolliert ins Angriffsdrittel zu kommen. Bisher durchaus erfolgreich.

Wie lange hält der positive Trainerwechsel-Effekt?

Woodcroft sagt, er habe versucht, möglichst vielen Spielern Verantwortung zu übertragen und die Eiszeit gleichmäßiger aufzuteilen. Warren Foegele hat bestätigt, dass alleine diese Maßnahmen zu mehr Motivation unter den Spielern geführt haben. Woodcroft lobt nach seinen ersten vier Spielen (4 Siege) insbesondere die Einstellung der Spieler und den Willen, die neuen Vorgaben umzusetzen.
The work ethic of our players is phenomenal
Dieser Punkt ist typisch nach Trainerwechseln und in 100% der Fälle dafür verantwortlich, wenn plötzlich gewonnen wird. Das darf aber nicht als Standard herangezogen werden, denn in den Spielen unter anderen Coaches wurde sicher genauso daran appelliert. Was also, wenn die anfängliche Euphorie verflogen ist? Vancouver beispielsweise hat 7x unter dem neuen Coach gewonnen und krebst seitdem genauso herum, wie vorher.
Diese Gefahr sehe ich zumindest in dieser Saison bei den Oilers nicht. Zum einen aus Spielersicht, denn die Jungs haben verstanden, dass es höchste Eisenbahn war und der Zug in Richtung Playoffs beinahe abgefahren wäre. Da dürfte es kein halbherziges “klappt schon irgendwie” mehr geben. Zum anderen scheinen die taktischen Maßnahmen besonders im Spiel 5gg5 schon jetzt so viel zu bewirken, dass man als Oilersfan auf eine nachhaltige Verbesserung hoffen darf. Und die vielen Details und Kleinigkeiten, die Woodcroft anspricht und im Blick hat, sollten ebenfalls auf eine dauerhaft stabilere Oilers-Mannschaft hindeuten.
Spannend wird es, wenn die ersten Niederlagen kommen. Wie geht der Coach damit um? Glauben die Spieler dann trotzdem noch an die Veränderungen? Darauf gibt es heute noch keine Antwort. Aber alles, was man bisher von Jay Woodcroft wahrnimmt, spricht dafür, dass er auch kleinere Krisen meistern kann. Größere bleiben zumindest in dieser Saison hoffentlich aus.
 

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